Nervosität, Lampenfieber, Bühnenangst und "Fast Phobia"
Woraus entsteht das, was wir „Angst“ nennen? Wann wird Erregung zur Angst und wann wird Angst zur Phobie? Diese Fragen erscheinen vielleicht auf den ersten Blick intellektuelle Fragen zu sein, haben aber SEHR praktische Anwendungen. Die Mischung von Körperempfindungen, die wir Nervosität oder Angst nennen ist von Mensch zu Mensch verschieden. Ich würde auch behaupten, dass die Mischung, die wir Nervosität oder Angst nennen von Zeit zu Zeit verschieden ist. Das ist für "Performing Artists" eine gute Nachricht. Denn es bedeutet, dass, wenn wir genau die gleiche Mischung an Körperempfindungen authentisch umdeuten, SIND sie im Körper tatsächlich anders. Zusätzlich generiert die Interpretation, Benennung oder Bewertung dieser Empfindungskombination eine kalibrierte Schleife oder einen Teufelskreis, was nicht nur den Zustand intensiviert sondern auch verfestigt.
Ich gebe euch ein Beispiel. Ich arbeitete neuerdings mit einer Gruppe von jungen Musikern. In dieser Gruppe war ein talentierter Pianist der klagte, er sei vor jedem Auftritt leicht aber unangenehm nervös. Ich hab ihn gebeten genau zu isolieren welche Körperempfindungen Nervosität für ihn signalisieren. Nachdem er diese beschreiben hatte, fragte ich ihn, was genau ihn nervös macht. Er sagte, Fehler. Nur, wie wir wissen, Nervosität ist nicht gerade der beste körperliche Zustand, um fehlerfrei zu spielen. Faszinierend war für mich, wie effektiv die gute alte Strategie „Prescribe the Symptom“ (beschreibe das Symptom) funktioniert. Ich hab ihn gebeten ein etwas zu schnelles Tempo einzuschlagen und ein paar richtig dicke Fehler zu machen. Lustig war, dass er die Fehler zunächst nicht machen konnte. Als er versuchte Fehler zu machen, spielte er fehlerfrei. SEHR INTERESSANT! Nachdem er dann doch Fehler machen konnte und dies ein paar Mal wiederholte, sind wir die klassischen „Fast Phobia“-Schritte durchgegangen. Ich habe ihn gebeten, von weit weg zu sehen, wie er auf die Bühne kommt, zu schnell spielt und als die Fehler richtig peinlich und dick wurden, ein „Freeze Frame“ zu machen. Dann ‚steigt‘ er in seinen Körper des Stillbildes und lässt das Geschehen rückwärts laufen, bis er wieder an der Seitenbühne steht.
Dadurch, dass er die Fehler schon durchgespielt hatte, war diese Übung für ihn leichter und lustig zudem. Wir haben diese Schritte öfter wiederholt, bis es fast langweilig war. Dann saß er wieder am Klavier und spielte wie ein Meister. Ich hab ihn gefragt ob er nervös sei und es schien ihm lächerlich. Wieso? Er beherrschte das Stück ja! Dann bat ich um eine Beschreibung seiner Körperempfindungen. Das Faszinierende war, die Körperempfindungen blieben gleich (erhöhter Puls, leicht kalte Hände, Schmetterlinge im Bauch, z.B.) ABER seine Interpretation der Empfindungen hatte sich stark geändert.
Als ich ihn fragte, was sich durch diese Schritte geändert hätte, sagte er, das Schlimmste ist irgendwie schon passiert--- IM KOPF! Mehr noch, er hätte jetzt, ähnlich wie bei echten Phobien, ein klares Bild über seinen inneren Film. Er ist jetzt durch diese Erfahrung überzeugt, dass nicht die Außenwelt und auch nicht seine Körperempfindungen sonder ER der Film-Regisseur ist